Für den Inhalt dieser Seite ist eine neuere Version von Adobe Flash Player erforderlich.

Adobe Flash Player herunterladen

Steuerberater Gißewski
Home
Unsere Mitarbeiter
Leistungsspektrum
Besondere Leistungen
News
Impressum
Datenschutzerklärung
Galerie
Anfahrt
Links

Brief für GmbH-GF/-Gesellschafter des Monats August 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Organschaft: Handlungsbedarf durch geänderte Rechtsprechung

2.

Anwendung von § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. auf EU-Auslandsgesellschaften

3.

Umsatzsteuerpflicht bei Verkauf von ererbten Unternehmensvermögen

4.

Arbeitslohn: Vom Arbeitgeber übernommene Golf-Club-Mitgliedsbeiträge

5.

Keine Verpflichtung zur Regelung des Gründungsaufwands in Gesellschaftsverträgen

6.

Überschuldungsbilanz: Gesplittete Einlagen ohne Rangrücktrittserklärg.

7.

Haben abgelehnte Bewerber gegen Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch?

8.

Grenzen zulässiger Äußerungen von IHK

9.

Vereinfachte GmbH-Gründung: Abänderung des Musterprotokolls zulässig?

10.

BAG hebt Kündigung von "Emmely" auf



1. Organschaft: Handlungsbedarf durch geänderte Rechtsprechung

Einführung
Ist eine Kapitalgesellschaft wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch in ein anderes Unternehmen eingegliedert (Organschaft), verliert die Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) umsatzsteuerlich ihre Selbstständigkeit. Die Abführung der Umsatzsteuer aus Umsätzen der Organgesellschaft obliegt dem Organträger.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft (KG), erbrachte Leistungen an ihre Komplementärin (GmbH), die ein Alten- und Pflegeheim betrieb. Die GmbH erzielte hieraus steuerfreie Erlöse und hatte insofern keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. An der KG und der GmbH waren die gleichen 3 Gesellschafter zu jeweils 1/3 beteiligt. Die KG ging daher davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. Entsprechend wurden die Leistungen gegenüber der GmbH als Innenumsätze ohne Umsatzsteuer abgerechnet. Das beklagte Finanzamt sah in der Konstruktion keine Organschaft und unterwarf die Umsätze der Umsatzsteuer zum Nachteil der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten GmbH. Das Finanzgericht gab der Klage noch statt, auf die Revision des Beklagten hab der BFH das Urteil auf.

Neues Urteil
Der BFH folgte der Ansicht der Finanzverwaltung und gibt damit seine bisherige Rechtsprechung auf. Demnach ist eine finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für eine Organschaft umsatzsteuerlich nur gegeben, wenn ein Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt. Ein solches ist bei Schwestergesellschaften, zumindest im vorliegenden Fall, nicht gegeben, da nicht die KG die Möglichkeit besitzt, rechtlich auf die KG einzuwirken, sondern nur die hinter ihr stehenden Gesellschafter.

Konsequenz
Das Urteil wird erhebliche Auswirkungen auf bestehende Organschaftsverhältnisse haben und bei zukünftigen Planungen zu berücksichtigen sein. So bedeutet das Urteil das Ende der Organschaft für viele Betriebsaufspaltungen. Denn nunmehr reicht es für die Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft, im Gegensatz zur Betriebsaufspaltung, nicht mehr aus, dass hinter beiden Gesellschaften eine Personengruppe steht, die einen einheitlichen Willen bei beiden durchsetzen kann. Die geänderte Rechtsprechung wird insbesondere die Unternehmen nachteilig treffen, die die Organschaft bisher, wie im Fall, genutzt haben, um Leistungen gegenüber einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Gesellschaft als Innenumsatz, also ohne Umsatzsteuer, abzurechnen. Für betroffene Unternehmen ergibt sich daher dringender Handlungsbedarf.


2. Anwendung von § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. auf EU-Auslandsgesellschaften

Kernaussage
Die vor dem Inkrafttreten der GmbH-Gesetzesnovelle im November 2008 geltende Fassung des § 64 Abs. 2 GmbHG normierte eine Ersatzpflicht der Geschäftsführer gegenüber der GmbH für Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung der GmbH geleistet wurden. Die Genannte Bestimmung findet auch auf Gesellschaften, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründet wurden und im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten, Anwendung. Die Vorschrift ist als dem Insolvenzrecht zugehörig zu qualifizieren.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Ltd., die formal in London ansässig ist und eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Berlin unterhält. Einer der Beklagten war Director einer weiteren Ltd., die wiederum Director der Schuldnerin war. Der weitere Beklagte war ständiger Vertreter der Schuldnerin mit Einzelvertretungsbefugnis. Dieser tätigte erhebliche Barabhebungen vom Geschäftskonto der Schuldnerin, obwohl sie bereits zahlungsunfähig war. Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagten wegen dieser Barabhebungen geltend.

Entscheidung
Das LG gab der Klage aufgrund der Haftung der Beklagten wegen existenzvernichtenden Eingriffs nach § 826 BGB statt. Gegen diese Entscheidung legte der beklagte Director Berufung ein. Das KG bestätigte das Urteil und stützte der Anspruch des Klägers auf § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. Es stellte klar, dass gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EG-InsolvenzverfahrensVO) § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. Anwendung findet, da das Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet wurde. Die Vorschrift ist als Insolvenzrecht zu qualifizieren, weil sie insolvenzrechtlichen Zwecken dient. Die Regelung ist auch mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) vereinbar, denn § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. knüpft lediglich bestimmte Rechtsfolgen an ein bestimmtes Organverhalten und stellt keine Voraussetzungen für die Errichtung einer Zweigniederlassung in Deutschland auf. Ferner ist die Anwendung des § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. aus Gründen des Allgemeininteresses zum Schutze der Gläubiger zwingend erforderlich.

Konsequenz
Mit dieser Entscheidung wird erstmals die Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. auf den Director einer Ltd. erstreckt und den unzureichenden Sanktionsmöglichkeiten des englischen Gesellschaftsrechts entgegengetreten. Diese Entscheidung dürfte auch auf § 64 GmbHG n. F. für Haftungsfälle nach Inkrafttreten des MoMiG entsprechende Anwendung finden.


3. Umsatzsteuerpflicht bei Verkauf von ererbten Unternehmensvermögen

Einführung
Obwohl wir immer älter werden, schaffen viele Unternehmer es nicht, ihr Unternehmen vor ihrem Ableben an geeignete Nachfolger zu übergeben. Häufig haben die Erben auch kein Interesse an der Weiterführung des Betriebs. Umstritten ist dennoch bisher, ob derart unwillige Erben nicht doch ungewollt Unternehmer werden, und zwar aus Sicht der Umsatzsteuer.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine Erbengemeinschaft, erbte einen Pkw, den der Erblasser seinem Unternehmensvermögen zugeordnet und dementsprechend den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung vorgenommen hatte. Die Klägerin hatte keine Absicht das Unternehmen des Erblassers fortzuführen und veräußerte den Pkw. Das Finanzamt sah hierin einen der Umsatzsteuer unterliegenden Eigenverbrauch. Hiergegen wehrte sich die Klägerin mit dem Argument, dass sie nie Unternehmerin geworden sei und somit auch keine umsatzsteuerlich relevanten Sachverhalte verwirklichen könne. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Neues Urteil
Der BFH bestätigt zunächst, dass die Unternehmereigenschaft des Erblassers nicht vererblich ist. Allerdings rückt die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin in die umsatzsteuerlich noch nicht abgewickelten unternehmerischen Rechtverhältnisse des Erblassers ein. Hierzu gehört auch der Pkw, der nach dem Tod des Erblassers Unternehmensvermögen bleibt. Wird dieses veräußert, müssen sich die Erben daher insoweit als Unternehmer behandeln lassen. Die Veräußerung ist dann als umsatzsteuerpflichtige Lieferung zu qualifizieren.

Konsequenz
Mit dem Urteil schafft es der BFH, dass entsprechend dem Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchssteuer, ein unversteuerter Letztverbrauch verhindert wird, obwohl die Erben eigentlich nicht unternehmerisch tätig werden. Um zu bestimmen, ob die Veräußerung ererbten Vermögens der Umsatzsteuer unterliegt, ist danach alleine darauf abzustellen, wie diese Veräußerung noch zu Lebzeiten des Erblassers zu behandeln wäre. Die Erben müssen sich insoweit als Unternehmer behandeln lassen, auch wenn sie tatsächlich nicht die Voraussetzungen erfüllen, die das UStG an die Unternehmereigenschaft stellt.


4. Arbeitslohn: Vom Arbeitgeber übernommene Golf-Club-Mitgliedsbeiträge

Kernproblem
Dass Golf nicht nur Vergnügen bereitet, wird manch einem Sportler beim Lesen der eigenen Scorekarte bewusst. Häufig wird das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden und die Verbesserung des Handicaps mit Gleichgesinnten zur beruflichen Akquise genutzt. So war auch die Auffassung einer Steuerberatungsgesellschaft nicht verwunderlich, die in der Mitgliedschaft in einem Golfclub eher ein Laster sah und die für ihren Fremd-Geschäftsführer übernommenen Aufnahmegebühren, Investitionsumlagen und Jahresbeiträge des Clubs nicht der Lohnsteuer unterwarf. Der Geschäftsführer habe auch keine Wahl gehabt und sei von seiner Arbeitgeberin angewiesen worden, im Golfclub Mandanten zu werben. Zudem verfügte der Geplagte nach eigenem Bekunden weder über die Platzfreigabe, noch habe er überhaupt Golf gespielt. Die Lohnsteuerprüfung des Finanzamts sah das anders und nahm die Steuerberatungsgesellschaft für die Lohnsteuer in Haftung. Über deren Klage musste jetzt das Finanzgericht entscheiden und wies sie ab.

Ständige Rechtsprechung
Vorteile des Arbeitnehmers sind kein Arbeitslohn, wenn sie aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt werden. In diesem Fall kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, führt die Vorteilsgewährung zu Arbeitslohn.

Entscheidung des FG
Das Finanzgericht vertritt nicht ganz unerwartet die Einschätzung, dass die Mitgliedschaft im Golfclub auch die Privatsphäre betrifft. Das gelte auch dann, wenn die Mitgliedschaft für den Beruf förderlich sei und sich auf diesem Weg Kontakte mit Mandanten anbahnen oder vorhandene Geschäftsbeziehungen intensivieren ließen. Ein solcher beruflicher Bezug sei oftmals eine Folgewirkung von privaten Kontakten (gemeinsame Unterhaltung, gemeinsamer Verzehr, sportliche Betätigungen im Verein) oder es entwickelten sich (anders herum) über die geschäftlichen Beziehungen hinaus private Freundschaften. Diese Einschätzung ginge auch analog mit der Würdigung eines Betriebsausgabenabzugs: Auch hier wird nach Auffassung des BFH und der Literatur ein Abzug verwehrt.

Konsequenz
Die Steuerberatungsgesellschaft hat bereits Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt.


5. Keine Verpflichtung zur Regelung des Gründungsaufwands in Gesellschaftsverträgen

Kernaussage
Gründungsaufwand, der nicht von der Gesellschaft übernommen werden soll, muss in dem Gesellschaftsvertrag keine Berücksichtigung finden. Unterbleibt die Aufnahme nämlich, haben vielmehr die Gründer mangels Übernahmebestimmung im Gesellschaftsvertrag den Aufwand zu tragen. Eine fehlende Festsetzung des Gründungsaufwands im Gesellschaftsvertrag hindert die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister nicht.

Sachverhalt
Ein Notar und Verfahrensbevollmächtigter der Antragstellerin reichte die Handelsregisteranmeldung einer neu gegründeten GmbH zur Eintragung in das Handelsregister ein. In der Gründungsniederschrift des Notars war u.a. aufgeführt, dass die Gründer die Gründungskosten tragen. Der Gesellschaftsvertrag enthielt keine Regelungen über den Gründungsaufwand. Das Registergericht wies mittels Verfügung darauf hin, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zu veranlassen sei, da dieser keine Regelung über den Gründungsaufwand enthalte. Mangels entsprechender Regelung erfolgte keine Eintragung der GmbH. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung
Die Beschwerde hatte Erfolg. Die beanstandete Verfügung war aufzuheben. Das GmbHG sieht keine zwingende Regelung über den Gründungsaufwand als Bestandteil des Gesellschaftsvertrages vor. Gründungsaufwand, der nicht aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet werden soll, muss im Gesellschaftsvertrag keine Berücksichtigung finden. Demgegenüber muss eine Regelung dann aufgenommen werden, wenn der Gründungsaufwand zu Lasten der Gesellschaft übernommen wird. Der mit § 26 Abs. 2 AktG verfolgte Zweck, die aus der Übernahme von Gründungsaufwand resultierende Vorbelastung des Stammkapitals offen zu legen, findet auch für die GmbH- Gründung Anwendung. Soweit der Gesellschaftsvertrag über den Gründungsaufwand nichts aussagt, sind entsprechend § 26 Abs. 2 AktG die Gründer dessen alleinige Schuldner mit der Folge, dass sie diejenigen Kosten an die GmbH erstatten müssen, die von der GmbH getragen wurden.

Konsequenz
In der Praxis ist eine Übernahme des Gründungsaufwands durch die GmbH üblich, der daher eindeutig im Gesellschaftsvertrag festzulegen ist. Nur die ordnungsgemäße Festsetzung im Gesellschaftsvertrag führt zur Unschädlichkeit einer aus der Übernahme der Kosten entstehenden Unterbilanz.


6. Überschuldungsbilanz: Gesplittete Einlagen ohne Rangrücktrittserklärg.

Kernaussage
Darlehen, die ein Gesellschafter einer GmbH aufgrund einer Zusage im Gesellschaftsvertrag gewährt hat, sind in der Überschuldungsbilanz zu passivieren, soweit nicht ausdrücklich ein - bis zum Inkrafttreten des MoMiG sog. qualifizierter - Rangrücktritt erklärt ist. Diese sog. "gesplitteten Einlagen" oder Finanzplankredite sind keine eigenständige Kategorie des Eigenkapitalrechts, sondern werden wie andere Gesellschafterdarlehen behandelt.

Sachverhalt
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter einer KG entsprechend § 31 GmbHG a. F. von der Beklagten als Erbin die Erstattung eigenkapitalersetzender Darlehensrückzahlungen. Der Erblasser war als Kommanditist an der KG beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin war eine GmbH, deren Geschäftsführer der Erblasser war. Im Gesellschaftsvertrag hatten die Mitgesellschafter vereinbart, der Gesellschaft Darlehen zu gewähren. Eine Kündigung der Darlehen durch die Gesellschafter sollte ohne gleichzeitige Kündigung der Gesellschafterstellung ausgeschlossen sein. Daraufhin nahm der Erblasser ein Darlehen auf und leitete die Darlehensvaluta unmittelbar an die KG weiter. In den Jahren 2002 bis 2004 wurden insgesamt rund 122.000 EUR an den Erblasser zurückgezahlt. Im Jahr 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet.

Entscheidung
Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Das Darlehen war eigenkapitalersetzend. Die Gesellschaft war überschuldet, da die mit den Mitgesellschaftern bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbarten, valutierenden Darlehen zu passivieren waren. Auf die sog. gesplittete Einlage sind entsprechend dem erfüllten Finanzplankreditversprechen die Regeln des Eigenkapitalersatzes anzuwenden. Hiernach ist geklärt, dass die Darlehensrückzahlungsansprüche zu passivieren sind, wenn kein qualifizierter Rangrücktritt vorliegt. Allein der Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit durch den Gesellschafter ersetzt die ausdrückliche Rangrücktrittserklärung nicht. Die rechtliche Einordnung als nachrangige Forderung sowie der materielle Nachrang reichen ebenfalls nicht aus.

Konsequenz
Der BGH hat seine bisher klare Aussage nochmals bestätigt. Ein Geschäftsführer hat damit die Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus zu passivieren, sofern kein Rangrücktritt bzw. für Altfälle kein qualifizierter Rangrücktritt vorliegt. Zugunsten des Geschäftsführers verlangt der BGH also eine zweifelsfreie und rechtssichere Beurteilungsgrundlage.


7. Haben abgelehnte Bewerber gegen Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch?

Kernfrage/Rechtslage
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Europäische Vorgaben in nationales Recht umwandelt, sieht für Bewerber einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch vor, wenn sie aufgrund einer Diskriminierung abgelehnt werden. Bekommen die Bewerber den Ablehnungsgrund nicht mitgeteilt, stellt sich die Frage, ob ihnen die Antidiskriminierungsregelungen einen - in Deutschland nicht ausdrücklich kodifizierten - Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber eröffnen. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht jetzt dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung
Die in Russland geborene Klägerin hatte sich erfolglos auf eine ausgeschriebene Stelle beworben. Die Beklagte hatte ihr nicht mitgeteilt, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und ggf. welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich waren. Die Klägerin behauptete, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Aufgrund der damit vorliegenden Diskriminierungen müsse die Beklagte eine Entschädigung zahlen. Die ersten Instanzen haben die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob das Gemeinschaftsrecht einem Bewerber, der die Voraussetzungen für eine ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung aber nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einräumt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Klägerin nach nationalem Recht keinen Anspruch auf Auskunft habe, allerdings sei nicht auszuschließen, dass die einschlägigen Europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien möglicherweise einen solchen Auskunftsanspruch forderten.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Reichweite des Europarechts selbst dort, wo der Gesetzgeber bereits nationale Regelungen geschaffen hat. Es steht zu vermuten, dass der Europäische Gerichtshof die Frage jedenfalls in den Fällen zugunsten der Arbeitnehmer entscheidet, in denen hinreichende Indizien für eine Diskriminierung vorliegen.


8. Grenzen zulässiger Äußerungen von IHK

Kernaussage
Industrie- und Handelskammern dürfen Stellungnahmen oder sonstige Erklärungen nur zu Themen abgeben, bei denen es um nachvollziehbare Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft in ihrem Bezirk geht.

Sachverhalt
Das klagende Reisebüro war kraft Gesetzes Mitglied der beklagten IHK. Es wandte sich gegen eine einzelne Äußerung der Beklagten in der sog. "Limburger Erklärung", einem Grundsatzpapier zu Themen der Bildungs-, Forschungs-, Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, der Hessische Verwaltungsgerichtshof hielt einen Teil der Äußerung für rechtswidrig und gab ihr teilweise statt. Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Entscheidung auf.

Entscheidung
Der Verwaltungsgerichtshof hatte den rechtlichen Maßstab aufgestellt, dass Äußerungen zu Themen, die Interessen der gewerblichen Wirtschaft im Randbereich berühren, nur eingeschränkt zulässig sind. Dieser Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Auch in diesem Bereich sei es der IHK gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse ihrer Mitglieder zur Geltung zu bringen. Belange der gewerblichen Wirtschaft werden dann wahrgenommen, wenn die Äußerung sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der IHK hat. Diese Auswirkungen müssen sich aus der Äußerung und ihrem textlichen Zusammenhang ergeben. Aufgrund der Tatsache, dass die IHK als öffentlich-rechtliche Körperschaft öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehme, habe sie auch bei ihrer Aufgabe, die gewerbliche Wirtschaft gegenüber dem Staat zu vertreten, das höchstmögliche Maß an Objektivität walten zu lassen und dürfe keine reine Interessenvertretung sein. Dazu bedürfen die Aussagen der Sachlichkeit und notwendigen Zurückhaltung.

Konsequenz
Die Erklärung war vorliegend unabhängig von ihrem Inhalt rechtswidrig. Erklärungen und Stellungnahmen müssen generell unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande kommen. Die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden ist nur gerechtfertigt, wenn deren Gesamtinteresse, das von der IHK wahrgenommen wird, durch die nach Gesetz und Satzung zuständigen Gremien ermittelt wurde. Die "Limburger Erklärung" wurde demgegenüber erst nach ihrer Veröffentlichung von der Vollversammlung der Beklagten genehmigt und war damit nicht rechtmäßig.


9. Vereinfachte GmbH-Gründung: Abänderung des Musterprotokolls zulässig?

Kernaussage
Wird das für die GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren vorgesehene Musterprotokoll abgeändert, finden die allgemeinen Vorschriften für eine "normale" GmbH-Gründung Anwendung.

Sachverhalt
Der Beschwerdeführer beabsichtigte die Gründung einer GmbH im vereinfachten Verfahren (§ 2 Abs. 1a GmbHG) unter Verwendung des gesetzlichen Musterprotokolls. Die Gründungsurkunde wurde beim Registergericht zur Anmeldung der GmbH eingereicht. Das Gericht beanstandete, dass die Kostenregelung nicht dem Musterprotokoll entspreche, weil die Gesellschaft die Gründungskosten bis zu einer Höhe von 1.500 EUR anstatt nur 300 EUR übernehmen sollte. Die Eintragung wurde abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Entscheidung
Die vorgelegte Gründungsurkunde verstieß gegen das Gesetz, demzufolge das Musterprotokoll (Anlage zum GmbHG) über die dort zugelassenen Alternativen hinaus weder abgeändert noch ergänzt werden darf. Die Abänderung der Kostenhaftung hatte zu Recht zur Folge, dass die Eintragung der GmbH nicht vollzogen wurde. Erfährt das Musterprotokoll Änderungen, so liegt eine "normale GmbH-Gründung" vor, für die keine Erleichterungen, sondern die allgemeinen Regelungen gelten. Es bedarf daher der Einreichung einer Satzung; die Vorlage eines geänderten Musterprotokolls reicht dazu nicht aus. Das Musterprotokoll ist vielmehr Charakteristikum des vereinfachten Verfahrens und allein dieser Gründungsart vorbehalten. Bei Gründung einer GmbH im "normalen Verfahren" kann das Musterprotokoll nicht Grundlage für den Nachweis der darin zusammengefassten Dokumente sein (Satzung, Geschäftsführer-Bestellung, Gesellschafterliste). Es fehlt z. B. die erforderliche satzungsmäßige Grundlage für die Befreiung des Geschäftsführers vom Selbstkontrahierungsverbot. Ferner ist auch die Einreichung der Gesellschafterliste für eine Eintragung der GmbH im "normalen Verfahren" nicht ausreichend.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass bei einer GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren das Musterprotokoll keine Änderungen erfahren darf. Anderenfalls liegt eine "normale" Gründung vor, bei der das (geändert) Musterprotokoll nicht den Nachweis für die darin zusammengefassten Dokumente liefern kann.


10. BAG hebt Kündigung von "Emmely" auf

Kernfrage/Rechtslage
Bislang galt, dass jede Straftat eines Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgeber unabhängig von allen Fragen der Verhältnismäßigkeit und Schadenshöhe zur einer in der Regel fristlosen, jedenfalls aber ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers berechtigte. Eine Bagatellgrenze gab es nicht. So wurde auch der wohl populärste Fall der Kassiererin "Emmely", die Pfandbons im Wert von 1,30 EUR unterschlagen hatte, von den Instanzgerichten entschieden und die Kündigung für zulässig erachtet. Diese bisher unumstößliche Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht jetzt gekippt.

Entscheidung
Die Klägerin war 30 Jahre als Verkäuferin mit Kassentätigkeit bei der Beklagten beschäftigt. 2008 wurden in der Filiale zwei Pfandbons im Wert 1,30 EUR aufgefunden. Der Filialleiter übergab die Bons der Klägerin zur Aufbewahrung, falls sich ein Kunde noch melden sollte. Nach den Feststellungen der Instanzgerichte reichte die Klägerin die beiden Bons bei einem privaten Einkauf zehn Tage später bei der kassierenden Kollegin ein. Diese nahm sie entgegen, obwohl sie, anders als es aufgrund einer Anweisung erforderlich gewesen wäre, vom Filialleiter nicht abgezeichnet worden waren. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ungeachtet des Widerspruchs des Betriebsrats wegen eines dringenden Tatverdachts fristlos, hilfsweise fristgemäß. Nachdem die Instanzgerichte die Kündigung für wirksam erklärt hatten, urteilte das Bundesarbeitsgericht jetzt zugunsten der Klägerin. Zwar liege ein schwerwiegender Vertragsbruch vor, der den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin berühre und damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belaste. Letztlich würden aber angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte überwiegen. Dazu gehört die 30 Jahre ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die ein hohes Maß an Vertrauen entstanden sei, das durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden könne. Außerdem sei auch die nur geringfügige wirtschaftliche Schädigung in die Abwägung mit aufzunehmen, so dass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre.

Konsequenz
Mit der Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht eine bisher feste Grenze des Kündigungsrechts aufgeweicht und damit aufgehoben. Zwar soll es dabei bleiben, dass die Straftat die Kündigung rechtfertigt, zukünftig wird aber jede Kündigung aus diesem Grund mit den Argumenten der Unverhältnismäßigkeit angreifbar sein. So stellen sich z. B. die Fragen, ab welcher Dauer der Betriebszugehörigkeit das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt, oder ab welcher Wertgrenze sich die Schadenshöhe auswirkt.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de